Kurs SĂĽdost

Wir hocken in der Zeitmaschine und sausen zurĂĽck in das Jahr 1982.

Vorgeschichte:

Die Zeit Anfang der 80er Jahre war gezeichnet vom Geist der sich verändernden gesellschaftlichen und sozialen Bindungen. Mein Freundeskreis in und um Düsseldorf zerstreute sich in alle Winde. Andrea zog es nach Israel, ein Jahr Kibbuz und dort Land und Leute kennenlernen. Mary zog es zu ihrem Freund auf die griechische Insel „Ithaka“ und Rolf fand die Idee der Aussteigerkolonie „Sarakiniko“ ebendort so faszinierend, daß er gleich mitfuhr. Innerhalb einiger weniger Monate war mein engster Freundes- und Vertrautenkreis ausser Landes in südlichen Gefilden. Im Vorfeld wurde diskutiert, die aufgeschobene und durch räumliche Trennung erschwerte Freundschaft betrauert. Aber es wurden auch Pläne gemacht wie diese schmerzliche Trennung zu mildern wäre. Europakarte an die Wand geheftet und Schiffspassagen ausgetüftelt. Kosten zusammengerechnet, dabei das eigene (recht schmale) Portemonaie gecheckt und festgestellt, daß es möglich ist das Unmögliche zu erreichen wenn eine bestimmte Abfolge von Reisezielen eingehalten wird.

Der Plan:

Die Europakarte (mit Kleinasien und der KĂĽstenlinie von Israel) im Sinn:

Ich Peter, fahre mit meiner Guzzi über Österreich, Italien, Yugoslavien nach Nordgriechenland, durchquere Griechenland in südwestlicher Richtung und schiffe mich in Patras nach „Ithaki“ ein. Dort verbringe ich einige Tage mit Mary, ihrem Freund „Krause“ und Rolf, packe mir Rolf als Sozius auf das Motorrad, nutze die Fähre nach Patras, zurück nach Nordgriechenland, von dort aus über Istanbul in die Türkei bis Antalya, von dort aus mit einer Schiffspassage nach Israel, wir besuchen dort Andrea und fahren später über den nächsten Fährhafen im Osten der Türkei wieder in Richtung Westen. Acht Wochen sollten für diese Aktion wohl reichen. Soweit der Plan.

Ich greife sicher nicht zu weit vor, wenn ich schon an dieser Stelle verrate, dass zwischen Plan und Wirklichkeit einiges lag, daĂź zu diversen Ă„nderungen im Programm fĂĽhrte.

Reisevorbereitungen:

Im Jahr 1981 hatte ich meinen ersten Motorradunfall und wie ich hoffen möchte auch meinen letzten. Die Folge waren neben anderen Blessuren zwei gebrochene Arme und eine V7 special dicht am Totalschaden. Dem unfallverursachenden Opel Kadett Fahrer an dieser Stelle nochmals den versprochenen Arschtritt, wenn auch leider nur verbal.

Monate der gründlichen Analyse und der anschliessenden Reparatur meiner Guzzi schlosssen sich an. Die serienmässige Vorderradgabel wich einer neueren mit Doppelscheibenbrems, der originale Hauptscheinwerfer wurde durch einen grösseren mit H4 – Licht ausgewechselt, die doch recht kleinlaute Hupe wurde durch 2 infernalisch werkelende Fanfaren ersetzt. Der Originallenker wich einem der 850er California (V7) hinzu gesellte sich eine original California Scheibe (ebenfalls V7 850). Im Oktober 1981 war die Reparatur und im März 1982 der Umbau abgeschlossen. Alles brav vom TÜV eingetragen. Sogar die Lafranconis hatten Brief und Siegel.

In der Zwischenzeit waren die Planungen was die grosse Fahrt betrifft im vollem Gange. Landkarten der entsprechenden Länder kaufen und studieren. Fahrtroute ausarbeiten. Ersatzteilliste zusammenstellen und alles in der elterlichen Garage vorbereiten. Zuletzt die persönlichen Dinge die mit auf die Reise sollten ordnen und bereithalten.

Letzte Ă„nderungen im Plan:

Meine Schwester hatte eine Freundin, Gisela G., die davon gehört hatte daß ich nach Griendenland mit dem Motorrad fahren wollte. Sie hatte auch vor nach Griechenland zu fahren und war daran interessiert auf dem Hinweg bei mir mitzufahren. Ein durchaus interessanter Vorschlag, zumal eine Reise zu zweit bedeutet, daß sich Benzinkosten etc. halbieren. Soweit die Theorie.

Eine Person mehr bedeutete auch weniger Platz für mein persönliches Gepäck. Aber meine Guzzi ist/war ja eine grosse Reisemaschine, warum also nicht?

Zwei Tage vor der Abfahrt:

Die elterliche Garage wurde von einer mittig aufgebockten Guzzi majestätisch in Besitz genommen. Ringsum all die Dinge die mit sollten. Werkzeugtasche (sehr gut bestückt), zwei Gaszüge, ein Kupplungszug, zwei Schäuche, Reifenpilot, Zündkerzen, Motorenöl, Kupferpaste, Rostlöser, diverse Schrauben und die obligatorische Rolle Draht, Benzinkanister (5l), Gaskocher und Kartuschen, kleines Kochbesteck, einige Dosen an Lebensmitteln, Tassen, Teller, Besteck (bruchsicher), Instantkaffee und Trockenmilchpulver, ein 5 Ltr. Wasserkanister, ein „Minipack-Zelt“, zwei Isomatten, zwei Schlafsäcke, zwei Reisedecken. Last but not least: Anziehsachen für Gisela und mich selbst (für jeden eine Reisetasche), Reiseunterlagen, Karten und Notizbuch, Schreibzeug und die Fotoasurüstung. Drumherum lagen einige neue Gepäckspinnen und sonstiges Befestigungsmaterial. Das alles sollte in 2 grosse Craven-Boxen, ein Craven Top-Case und einen Tankrucksack gepackt oder darauf oder drumrum befestigt werden.

Am Vormittag des 16.07.1982 begann die Packaktion. Schon recht bald erwiesen sich die Boxen und Behältnisse als nicht den Erfordernissen gewachsen. Erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit mit zwei Leuten zu fahren keimten auf. Aber, verabredet ist verabredet. Nochmals ab- und auspacken. Unnötiges aussortieren. Nur was ist „unnötig“?

Mitten im schönsten Tun, erscheint meine Mutter in der Garage und verkündet: „Wollt ihr nicht lieber Papas Golf nehmen? Das ist sicherer und da passt mehr rein.“

Die Antwort, dass dieser Urlaub ein Motorradurlaub  ist und ein Auto nunmal kein Motorrad ist, verhallt wie sich noch herausstellen sollte, wenn nicht ungehört, dann zumindest aber unverstanden.

Inzwischen habe ich mich auf Anraten von Gisela von der „Bordküche“ verabschiedet. Einen Kocher nebst Kartuschen weniger, keine Teller und Tassen, keine Dosen, keinen Instantkaffee. Das Minipackzelt wurde auch noch aussortiert. Entscheidungen die Platz schafften. Lediglich der Wassserkanister fährt mit, was ich später noch schätzen würde.

Inzwischen erschien meine Mutter alle halbe Stunde um mir den Vorschlag mit dem Golf von Papa zu machen. Meine Antwort zunächst gleichmütig und freundlich vorgetragen, wurde zusehends klarer in ihrer Aussage und mündete schliesslich in der fast zwangsweisen Entfernung aus der Garage der besten aller Mütter und die „Verbringung“ ins elterliche Haus. Am späten Nachmittag war ob der inzwischen 15 minütigen regelmässigen “Erscheinung” ;) meiner Mutter mein Nervenkostüm blank und die Guzzi ebenso, weil sinnvolles und gutes Packen eines Motorrades einfach nicht gelingen wollte.

Weitere Versuche alles ausgewogen und gleichmäßig auf der Guzzi zu verstauen schlugen fehl.

Dann der verzweifelte rettende Gedanke: „Alles was mit muss, irgendwie drauf und nix wie weg!“

Weiter zum nächsten Teil